Jegg Life plus Mai 2014 - page 54

JEGG-Life plus 2014
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Gemeinsame Erfahrungen
Je größer die Überdeckung gemeinsamer
Erfahrungen (Kulturkreis, Elternhaus, Aus-
bildung, Beruf, Hobbys), desto größer die
Chance, etwas so zu verstehen, wie es die
andere Person gemeint hat.
Beispiel:
Eine Familie sitzt im Gasthaus,
hat bereits das Essen bestellt, der Kellner
kommt mit zwei Tellern angerauscht und
fragt: „Schweinswiener?“. Der ältere Sohn
antwortet: „Ja, ich“. Verkürzungen, die viel
Zeit ersparen. Alle wissen, worum es geht.
Der Sohn ist kein Schweinswiener, sondern
hat dieses vorher bestellt. Oder: Zwei Freun-
de stehen vor dem Café, in dem sie vorher
saßen, verabschieden sich und der eine fragt
„Wo stehst du?“. Eigentlich müsste der ande-
re jetzt sagen: „Na vor dir, Blindschleichn“.
Er sagt aber: „In der Schmiedgasse“, weil
sein Freund nicht ihn, sondern sein Auto ge-
meint hatte.
Warum ist beim Reden alles
so furchtbar kompliziert?
Die Kommunikationswissenschaft spricht
von Filtern, die unsere Wahrnehmung ver-
schleiern. Unaufmerksamkeit, fixe Ideen, die
andere Person ständig unterbrechen, Vorur-
teile usw. Geht etwas Gesprochenes durch so
einen Filter, bekommt es – uups, Zauber –
beim Empfänger eine andere Bedeutung.
Selektive Wahrnehmung
ist einer dieser Filter.
Haben Sie schon einmal ein bestimmtes
Auto kaufen wollen und plötzlich waren die
Straßen voll von eben diesem Wagen? Nicht,
weil mehr dieser Fahrzeuge unterwegs sind,
sondern weil sie Ihre Wahrnehmung ge-
schärft haben. Dieser Filter funktioniert
aber auch in die Gegenrichtung. Jemand sagt
Ihnen, Sie sollen auf etwas ganz Bestimm-
tes achten. Sie sind jetzt gedanklich völlig
auf diese Sache konzentriert. Im Prinzip ja
nichts Schlechtes, außer Sie übersehen dabei
anderes, das für Sie durchaus wichtig sein
könnte. Schauen Sie durch den Sucher Ihrer
Kamera oder auf das Display Ihres Handys.
Bei extremer Weitwinkeleinstellung haben
Sie einen guten Überblick, bei extremer Te-
leeinstellung sehen Sie die Details besser,
aber nur von einem kleinen Ausschnitt.
Sehr anschaulich zeigt das ein Clip unter
,
weitere Beispiele unter IVDR Benedikt Ahl-
feld).
Interpretation
(Auslegung, Übersetzung, Erklärung) ist
auch so ein Filter und bedeutet, unter ande-
rem, die subjektiv als plausibel angesehene
Deutung einer sozialen Situation. Alles klar,
oder? Auch wikipedia macht oft auf g’scheit.
Die folgende Geschichte ist vielleicht ver-
ständlicher:
EinMann will ein Bild aufhängen. DenNagel
hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar
hat einen. Also beschließt unser Mann, hi-
nüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch
da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der
Nachbar mir den Hammer nicht leihen will?
Gestern schon grüßte er mich nur ganz flüch-
tig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat
er die Eile nur vorgetäuscht und er hat was
gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts
getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn je-
mand von mir ein Werkzeug borgen wollte,
ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht?
Wie kann man einem Mitmenschen einen
so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie
dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und
dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn
angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat.
Jetzt reicht´s mir wirklich. Und so stürmt
er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch
bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn
unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Ham-
mer" (Paul Watzlawick, Anleitung zum Un-
glücklich sein). Der Mann hätte natürlich
einfach seinen Nachbarn fragen können, wie
das jetzt sei mit dem Hammer.
Weil – eh schon wissen – beim Red’n
kumman die Leit zamm.
Mag. Volker Schwarz
ist ausgebildeter
Paar- und Kommunikationsberater,
Coaching- und Beziehungsseminarleiter
Kontakt: +43 (0) 680 / 322 11 33
Allerheiligen bei Wildon 283
8412 Allerheiligen bei Wildon
Suchen Sie in einem bekannten Internetverkaufsportal unter dem Begriff „Kommunika-
tion“, erscheinen unzählige Bücher zu diesem Thema. Kommunikation im Beruf; in der
Beziehung; für Führungskräfte; mit Kindern; Kommunikation um andere zu überzeugen
oder zu manipulieren. Auch Unausgesprochenes ist wichtig – Blicke, Gesten, Körperhal-
tung, alles ist höchst verräterisch und offenbart dem Gegenüber meine momentane Ge-
fühlswelt – klingt gruselig. Als hätte „facebook“ nicht schon genug Daten von uns.
Am Anfang
war das Wort ...
Kommunikation fließt gleichzeitig
über vier Ebenen.
Wir senden eine Nachricht auf der Sach-
ebene (worüber informiere ich), Beziehungs-
ebene (wie stehen wir zueinander), Selbst-
mitteilungsebene (was teile ich über mich
selbst mit) und Appellebene (was sollst du
tun) und empfangen diese Nachricht mit vier
Ohren (Schulz von Thun, 4-Ohren-Modell).
Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist
es auch.
Aus „beim Red’n kumman die
Leit zamm“ wird dann manch-
mal „beim Red’n geraten die
Leit aneinander“.
Beispiel:
Ein Paar im Auto, sie fährt. Er
sagt: „Die Ampel da vorne ist grün“. Die
Information auf der Sachebene ist eindeu-
tig – „Grün“. Die Selbstmitteilung kann sein
– „Also ich tät da ja ganz anders fahren“.
Auf der Beziehungsebene könnte es heißen
– „Du brauchst Hilfestellung“ (eh klar, wir
Männer fahren ja viel besser Auto). Der Ap-
pell könnte heißen –„Fahr schneller“.
Wie reagiert seine Frau? Sachlich? „Danke,
habe ich schon gesehen“. Auf seine Selbst-
mitteilung – „Aha, und?“. Auf den vermeint-
lichen Appell – „Hast du es eilig?“. Oder
auf der Beziehungsebene – „Fahre ich oder
du? Rede mir nicht dauernd beim Fahren
drein!“. Uitzile, jetzt ist sie beleidigt. Auf
der Beziehungsebene sind wir alle ein wenig
empfindlich.
Kompliziert genug?
Ein Schäuferl können wir noch nachlegen.
Die vier Ohren sind bei jedem Menschen
verschieden groß. Beispiel: Sie fragt: „Liebst
du mich?“. Eine Botschaft auf der Bezie-
hungsebene. Er hat aber ein großes Sachohr
und antwortet: „Ja also, äh, kannst du mir
den Begriff Liebe näher definieren...“. „Ich
meine, welche Gefühle du für mich empfin-
dest“, definiert sie. „Gefühle, das ist etwas
schwammig, außerdem, Gefühle kommen
und gehen....“. Oder, eine kleine Party mit
Freunden. Eine Person sagt: „Hier zieht es“.
Eine andere Person mit einem großen Sach-
ohr antwortet trocken: „Stimmt!“. Aber die
Gastgeberin, die ein großes Appellohr (was
erwarten andere von mir?) hat, sagt sofort:
„Ich mache gleich das Fenster zu“.
Gastkommentar Volker Schwarz
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