Jegg-Life-Magazin September 2016 - page 9

Jegg - L i fe
| September 2016 | Seite 9
Unwetter so verwundbar?
Bei den Bauern beginnt‘s
Das Wissen – eine Gewissens-
frage. Neigen wir nicht dazu, uns
auf die Gemeinde, die Feuerwehr
zu verlassen? An Graz-Andritz
etwa wurde in den betroffenen
Gebieten die Broschüre „Ich sor-
ge vor“ erarbeitet. „Bei uns gibt
es nichts in dieser Hinsicht“, be-
dauert Bernhard Konrad. Hofrat
Hornich spricht für das Land
Steiermark ein klares Wort: „Ja,
wir müssen als Verwaltung künf-
tig stärker in die Information und
Kommunikation mit der Bevöl-
kerung gehen und strategisch den
gleichen Aufwand betreiben, wie
bei den technischen Schutzbau-
ten“. Hornich nimmt aber auch
die Gemeinden in die Pflicht:
„Die Baubehörde ist der Bürger-
meister. Er kennt die Schwach-
stellen, er muss etwa im Fall einer
Gefahr von Hangrutschungen
darauf hinweisen. Und er muss
dafür sorgen, dass in ausgewiese-
nen Hochwasserflächen das vor-
geschriebene Widmungsverbot
eingehalten wird“.
Wir belügen uns selbst
Der Hinweis von Dr. Podesser
auf Mängel in der Raumplanung
sind nicht zu überhören. Mit
an Deutlichkeit nicht zu über-
bietender Klarheit der Forscher
Grossmann: „Unsere Gesellschaft
belügt sich selbst. Jeder will gut
wohnen, jeder will sein Auto
vor dem Haus abstellen, oft auch
mit ein bissl Schwindeln bei der
Gesetzeseinhaltung. Die Bauern
müssen auf (Preis-)Druck der
Gesellschaft die Betriebe ökono-
misch, statt ökologisch führen.
Die Böden werden dabei kaputt
gemacht, Oberflächenwässer ver-
sickern nicht mehr. Und dann
sollen es die „anderen“ richten.
An der Donau da gibt es mindes-
tens drei Mal im Jahr Hochwas-
ser – die Menschen haben sich
damit arrangiert. Hier ruft man
sofort nach Hilfe, denn selbstver-
ständlich sind nur andere dafür
zuständig“. Grossmann fragte
daher: „Wollen wir diesen Inte-
grationsmechanismus ernsthaft
fortsetzen?“
Risiko-Homöostase
Bernhard Konrad ergänzt, dass
das Verständnis der Leute auch
Unverständnis bei der Feuer-
wehr hervorruft. „Wir kommen
mit einem 500.000 Euro teuren
Feuerwehrauto. Damit sollen
wir, egal unter welchem Risiko
und möglichen Schäden, überall
hineinfahren. Sein eigenes Auto
aber behandelt der Bürger wie
ein Heiligtum“. Rudolf Hornich
meint auch, dass der stets rasch
verwendete Begriff „Katastro-
phe“ zu leichtfertig verwendet
wird. Speziell von den Medi-
en. „Heuer haben wir es mit
Extrem-Ereignissen im lokalen
Bereich zu tun, im übrigen Land
sind sie eher gering“.
Auch das „Mir passiert schon
nix“-Bewusstsein stört dabei.
Prof. Grossmann nennt es das
Risiko-Homöostase-Phänomen
(Aufrechterhaltung eines Gleich-
gewichtszustandes eines offenen
dynamischen Systems durch ei-
nen internen regelnden Prozess,
Anm. d. Red.) und analysiert:
„Je mehr Sicherheit ich anbie-
te, desto exponierter kann ich
mich bewegen. Beim Auto ist es
zum Beispiel das ABS, das die
Fahrsicherheit erhöht, weshalb
wir forscher fahren. Somit ver-
ändern wir unsere Verhaltens-
ZAMG-Steiermark-Direktor
Alexander Podesser:
„Kärnten und die Steiermark
sind ein permanenter „Hot-spot“
in der roten Zone“.
ABI Bernhard Konrad:
„Wir sind nicht für die
Ursachen zuständig. Hätten
viele der heute Betroffenen
nur die Bauvorschriften
beachtet…“
weisen nicht, weil wir uns in Si-
cherheit wiegen. So auch bei der
Feuerwehr, die bei Hochwasser
vermeintlich Sicherheit gibt – in
Wahrheit aber nur Schäden auf-
räumt“.
Anfällig wie nie zuvor!
Konrad kennt dieses „Warum
ich?“-Verhalten aus Erfahrung
und die vorwiegend verbreitete
Auffassung in der Bevölkerung:
Die Gemeinde wird´s schon rich-
ten. Soziologe Grossman bringt
es auf den Punkt: „Wir sind heu-
te anfällig wie nie zuvor. Schau-
en wir nach Griechenland oder
Italien, wo wegen menschlicher
Freibeuterei der Meeresböden
Venedig vor dem Untergehen
steht und nun mit Milliarden-
aufwand des Schutzprojektes
MO.S.E. gerettet werden soll. Wir
leben heute noch auf einer Insel
der Seligen. Ich betone: heute.
Doch wir müssen uns klarma-
chen: Irgendwo ist es einmal aus“.
ZAMG-Wetterkarte
: Diese Starkregenzone, die am 29. August den
Flugbetrieb am Thalerhof lahmlegte, war eine Stunde davor nur als
ein unbedeutender Gefahrenpunkt sichtbar!
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