echtLife November 2022

Seite 40 | November 2022 | echt Life Beginnen wir bei nackten Zahlen: In unserer Region versterben statistisch rund 300 Personen pro Jahr. Etliche davon in Krankenhäusern und Pflegeheimen, nur ein Teil davon im privaten Umfeld und noch viel weniger dann auch noch mitten in der Nacht oder an Wochenenden und Feiertagen. Bei den wenigen Fällen, die übrig bleiben, gibt es einerseits Familien, die einen Verstorbenen gerne noch einige Stunden „behalten“, um sich in Ruhe und Würde verabschieden zu können, andererseits aber auch andere. Wie Bestatter Stefan Schalk aus Erfahrung weiß: „Mehrere Stunden mit einem Toten zu verbringen kann entweder ein schöner Akt des Abschieds sein - oder ein traumatisierendes Ereignis.“ Was ist die Totenbeschau? Im Rahmen der Totenbeschau soll ein Arzt Merkmale des eingetretenen Todes feststellen, den Zeitpunkt des Todes festlegen und den Verdacht auf Fremdeinwirkung ausschließen – andernfalls wäre eine Obduktion anzuraten. Vor allem aus dem letzten Punkt lässt sich ableiten, dass ein Leichnam vor der Beschau nicht gewaschen, nicht angekleidet und auch nicht von der Bestattung vom Sterbeort entfernt werden darf. Genau diese im Grunde nachSterben nach Dienstplan ... Viel Staub aufgewirbelt hat ein nächtlicher Todesfall in Trieben, bei dem ein Leichnam über neun nächtliche Stunden hinweg nicht abtransportiert wurde. Solange dauerte es, bis ein Arzt eintraf, der die Totenbeschau vornahm. Hier die geltenden Regeln, was zu tun ist, wenn eine Person im privaten Umfeld und abseits üblicher Tagesarbeitszeiten verstirbt. vollziehbare Vorschrift kann zu Problemen führen. Denn für die Totenbeschau braucht es einen befugten Arzt, da es sich um einen rechtlichen Akt, der in die Zuständigkeit der Gemeinden fällt. Befugte Ärzte sind daher solche, mit denen jede Gemeinde entsprechende Verträge abgeschlossen hat, wobei Gemeinden meist mehrere Ärzte unter Vertrag haben. Wie man sich verhalten soll Stefan Schalk, Bestatter in zweiter Generation in Gratwein-Straßengel, erklärt, was Angehörige bei einem Todesfall in den eigenen vier Wänden tun sollen: „Stirbt jemand zu Hause, sollten die Angehörigen als Erstes die Bestattung anrufen. Die Bestattungsunternehmen kennen die Abläufe und wissen auch, welcher Arzt zuständig und erreichbar ist.“ Einen Fall wie in Trieben hält er nahezu für ausgeschlossen: „Bei uns im Raum Graz Nord ist die Arztdichte hoch und manche sind wirklich rund um die Uhr erreichbar.“ Perfekt ist dieses System allerdings nicht: Selten, aber doch ist kein Vertragsarzt der zuständigen Gemeinde verfügbar. Besteht ein dringender Wunsch nach demAbtransport des Leichnams, muss die Bestattung für die erforderliche Totenbeschau also hin und wieder auf einen Arzt zurückgreifen, der mit der der jeweiligen Gemeinde keinen Vertrag hat. Dann kann es wiederum vorkommen, dass sich die Gemeinde weigert, die Kosten für diesen ärztlichen Einsatz zu tragen. So stolpert man von einer Notlösung in die nächste: Die Ärztekammer schlug unlängst vor, man könnte auch statt der Bestattung die Rettung und den Notarzt rufen. Greift man diese Idee in der Bevölkerung tatsächlich auf, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Notarzt Formulare für einen Toten ausfüllen muss und deshalb als Lebensretter andernorts zu spät kommt … Stefan Schalk, Bestattung Wolf Andreas Braunendal

RkJQdWJsaXNoZXIy MTgyNzE1Ng==