echtLife 4 2020

Seite 8 | November 2020 | echt Life Marketingstrategen und gewiefte Werbepsy- chologen empfehlen uns mit ihren ausge- feilten Strategien bereits seit der Hochblüte des Wirtschaftswunders: „Neu“ ist einfach in jeder Hinsicht besser, Ausdruck innova- tiver, visionärer Kraft und Kompetenz und sichtbarer Spiegel der Persönlichkeit. Anti- ke Möbel, klassische Automobile oder alter Schmuck entziehen sich schon länger die- sem Klischee - neues Framing sozusagen. Bei Alltagsgegenständen hält unser Gehirn noch an den alten Rahmen und Konnota- tionen fest. Aber langsam bekommen auch diese bisher weitgehend stabilen Rahmen deutliche Risse. Bei Geschenken etwa ist es jedoch noch immer schwierig. Man will ja schließlich nicht als „Klemmer“ wahrge- nommen werden, dem der Beschenkte nicht mal Neuware wert ist. Vermeintliche Ge- ringschätzung und nachfolgende Irritation inklusive! Und es hat sich ja schon irgend- wie etabliert, den Grad der Zuwendung vor- rangig am Preis eines Geschenks zu messen. Dabei hat Wolfgang Ambros schon in den 70ern tiefsinnig einen anderen Weg gewie- sen: Net olles, was an Wert hat, muass a an Preis hobn. Weihnachten steht vor der Tür und wenn sich das Virus mitspielt, dann sollten zumindest die Geschäfte für die konsumstärkste Zeit des Jahres offe bleiben. Aber muss es immer was Neues sein, das man schenkt, sich erwartet oder selbst anschafft? „Re-use“ und „Second life“ sind mittlerweile allseits bekannte Synonyme für auch ökologisch sinnvolle Wieder- und Weiterverwendung. Der unwiderstehliche Charme des Alten Die Möglichkeiten, bisherige Stereotype im Kaufverhalten zu verlassen, werden auch immer vielfältiger. Flohmärkte, Gebraucht- warenhäuser, heimische Onlineshops bis hin zu Kostnix-Läden und lokalen Bekleidungs- börsen mit kostenlosem Warentausch bieten ein riesiges Sortiment an Gebrauchs- und Alltagsartikeln, kleinen Kostbarkeiten und mit Glück auch seltenen Pretiosen. So wird auch der Besuch eines Aktionshau- ses im Norden von Graz zu einem kleinen Erlebnis. Zugegeben, der Autor ist mit einer Affinität zu alten Stücken recht vorbelastet, bemüht sich aber redlich, das Haushaltsbud- get nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Die Vielfalt ist jedenfalls beeindruckend. Ein ganzer Flohmarkt kompakt in einer Hal- le. Eine virtuelle Zeitreise zu Kultur- und Konsumgütern in unterschiedlichen Stilen und eine Rückschau auf die technischen Entwicklungen und Möglichkeiten der ver- gangenen Jahrzehnte. Déjà-vues wohin man schaut. Wer hier nichts findet, das er weiter- schenken oder selbst behalten möchte, der kann historischem Charme wohl generell nichts abgewinnen. Der Besitzer Günter Fröhwein, der diese Halle seit 2016 in Gratwein betreibt, auf die Frage nach den aktuellen Kundeninte- ressen: „Schallplatten sind wieder gefragt, auch Plattenspieler, Schmuck und Uh- ren gehen auch ganz gut, kleinere Möbel ebenso. Nur die großen Stücke bleiben in der Regel übrig. Selbst Porzellan ist zur- zeit schwer verkäuflich.“ Die Kunden seien heute über Preise auch besser informiert, meint er mit einem Anflug von Bedauern, „aber da geht es mir halt wie vielen Fach- geschäften. Informiert und besichtigt wird vor Ort, gekauft dann übers Internet.“ Es lohnt sich jedenfalls, den Horizont diesbe- züglich quasi auch mal nach hinten zu er- weitern, mit überraschenden Funden, einer Fülle an schönen Erinnerungen und einer fast reinen ökologischen Weste. Aktionshalle Gratwein Günter Fröhwein Tel. 0676 / 401 27 66 Bahnhofstraße 1 8112 Gratwein-Straßengel www.aktionshalle-gratkorn.at Manfred Wusser Fotos: Aktionshalle

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