echtLife 1/2021

Seite 28 | März 2021 | echt Life Deutschfeistritz: stilvoll behütet Er liegt wieder ganz im Trend: Der Hut. Modisches Accessoire, Sonnen- oder Kälteschutz - oder für manche Häupter einfach Ausdruck stimmiger Individualität. Wer hier maß- und handgefertigte Qualität sucht, wird derzeit noch in Graz, bald in Deutschfeistritz in einer der letzten traditionellen Hutmanufakturen Österreichs fündig. Manfred Wusser Die Geschichte dieses Grazer Handwerks- betriebs beginnt im Jahre 1910, als der Hut- macher Josef Kepka seine Manufaktur am Schloßbergplatz eröffnete. Der Name schien auch Programm, bedeutet „Kepka“ im Russi- schen doch „kleines Hütchen“. Bereits in den 30er Jahren übersiedelte die Werkstatt an den heutigen Standort in der Wickenburggasse. 1957 begann Helmut Wichmann, Vater der heutigen Inhaberin Karin Krahl-Wichmann, eine Lehre als Hutmacher. Mittlerweile Hut- machermeister, übernahm er 1982 den Be- trieb und übergab ihn dann 2003 an seine Tochter. Allein die Werkstätte ist eine Augenweide für Nostalgiker. Die älteste Maschine stammt aus dem Jahre 1850, die meisten anderen aus den 1930- und 50er Jahren, Hutformen noch aus der k. u. k. Zeit und mit dem Ausstellungs- raumwähnt man sich ohnehin geschmackvoll um viele Jahrzehnte zurückversetzt. Aber ge- rade dieses Ambiente, dieses auf rund 250 m² verteilte, kreative Chaos von Werktischen voll mit unterschiedlichen Stoffen, Formen, Maschinen und Werkzeugen atmet in die- sem historischen Gewölbe den Geist von klassischem Handwerk, deren dennoch sinnvolle und praktikable Ordnung sich einem Besu- cher nicht gleich erschlie- ßen mag. Es dampft irgend- wo, Nähmaschinen dringen mit ihrem sonoren Stakkato ans Ohr, Filze werden ge- stärkt, andernorts getrock- net und die Luft ist erfüllt von einem Mix aus nicht unangenehmen Gerüchen, die es sonst so wohl nirgends zu finden gibt. Ein Mikro- kosmos aus Handwerkskunst, Qualität und Tradition. So kostbar und einzigartig, dass man es am liebsten gleich unter Artenschutz stellen möchte. Wie ein Hut entsteht Karin Krahl-Wichmann, Hutmachermeis- terin in zweiter Generation, referiert über Produktionsverfahren, über die unterschied- lichen Werkstoffe und ihre Kunden, während sie mit selbstverständlicher Routine an einem Werkstück arbeitet. „Wir fertigen Sommer- undWinterhüte – trachtig, modern oder ganz klassisch und verwenden dabei ausschließlich Naturmaterialien wie Weizenstroh, Seegras, Sisal oder Panamastroh für Sommerhüte und Schafwolle, Hasen- und Biberhaar für die winterliche Kopfbedeckung. Das Biberhaar ist übrigens das teuerste Material, das es dafür gibt, weil es nicht gezüchtet werden kann.“ Den Anfang eines maßgefertigten Hutes macht die genaue Vermessung der Kopfform mit dem Conformateur, einer Präzisions- maschine aus Frankreich aus dem 19. Jahr- hundert. Es folgt die Auswahl der passenden Schnittführung mit breiter oder schmaler Krempe, die Material- und Farbauswahl und zuletzt die individuelle „Garnierung“ mit Bändern, Schleifen oder anderen Applikatio- nen. Die Fertigung dauert in der Regel zwei Tage. Der Filz wird mit in Spiritus aufgelös- tem Schellack gestärkt (Richtig assoziiert: Es ist das gleiche Material, das vor dem Vinyl in der Schallplattenproduktion verwendet wur- de), wodurch sich die erforderliche Steifig- keit ergibt. Anschließend wird das Material in einer speziellen Dampfglocke bei 120° er- hitzt, der dann weiche Filz über die Hutform gespannt und getrocknet. Am nächsten Tag folgt die Oberflächenbehandlung: Es wird gebürstet, gedampft, Innen- und Außenband vernäht und die Garnierung appliziert. Man- che Hüte erfordern materialbedingt auch län- gere Trocknungsprozesse, wie jene etwa für die Spanische Hofreitschule, wo sich die üb- liche Herstellungszeit schon mal verdoppeln kann. Was hier vergleichsweise einfach beschrieben ist, verschweigt die wohl wichtigsten „Zuta- ten“ aller Handwerkskünste: Talent, Begeiste- rung und Erfahrung. Wer sich einmal selbst an der Hutmacherei versuchen und seinen Hut quasi selbst herstellen möchte, kann dies bei Karin Krahl-Wichmann im Rahmen eines Workshops auch gerne tun. „Mit ist es wich- tig, unseren Kunden ein Gefühl dafür zu ver- mitteln, wie aufwendig sich die Hutproduk- tion gestaltet und man den nicht nur ideellen Wert eines maßgefertigten Einzelstücks auch Fotos: Lupi Spuma Das Kepka & Söhne-Geschäftslokal in Graz

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