Seite 14 | März 2023 | echt Life Das Kernteam, bestehend aus fünf Personen, bezeichnet sich inzwischen selbst als „alte Knacker“, und fragt sich, warum es überhaupt über ein „Eisbach 2050 – so wollen wir hier leben“ nachdenken soll – ein Datum, das sie selbst nur vielleicht erleben werden. Die Antwort: Wir machen uns Sorgen um die Zukunft unserer Kinder und Enkel, und wir wollen dem (Selbst-)Vorwurf entgegentreten, nicht sehenden Auges untätig geblieben zu sein. So setze sich das Reiner Kernteam mit vielfältigen Berufserfahrungen bestehend aus Siegfried Peichler (Architekt), Johann Sattler (Projektmanager), Ursula Wilding (internationale Vernetzung) und Klaus Seelos (Landwirtschaft) zusammen, um Ideen zu entwickeln, wie man den Siedlungsraum rund um das Stift Rein lebenswert gestalten könnte. Sie entwickelten Konzepte und Ideen, befragten und motivierten die Bevölkerung, ließen die SchülerInnen des Stifts BGs Ideen spinnen und vieles mehr. Jahrelang nahm die Politik Ideenlisten und Konzeptpapiere dankend entgegen und ZOR - wenn Bürger aktiv werden In Gratwein-Straßengel wird viel über die Beteiligung von BürgerInnen an politischen Prozessen diskutiert, neuerdings in ersten Ansätzen auch umgesetzt. Die einzige tatsächliche Bürgerinitiative ohne parteipolitischen Hintergrund, die in der Gemeinde besteht, wurde 2015 gegründet: „Zukunft Ortskern Rein“, kurz ZOR, steht der Politik noch immer skeptisch, inzwischen aber doch vorsichtig optimistisch gegenüber. behandelte sie wie Kaiser Heinrich seine Schneekugeln: bitte gut verwahren und/ oder ab in die Rundablage damit. BürgerInnen beschäftigen statt beteiligen? Damit ereilte auch ZOR in der Vergangenheit das gleiche Schicksal, wie hunderte andere BürgerInneninitiativen, seit diese Art sich Politik einzumischen, in den frühen 80er Jahren in Mode gekommen war: Denn über Jahrzehnte dankte die Politik für das Engagement, unterstützte Treffen, Arbeitskreise und stellte etwa in Graz ein „Büro für BürgerInneninitiativen“ bereit, aber in Umsetzung kam kaum eine der vielen Ideen. Warum das so ist (oder war), ist am ehesten mit dem Machtverständnis unserer politischen Klasse zu erklären. Wo der Landeshauptmann noch medial als „Landeskaiser“ tituliert wird, hatten die Stimmen des Volkes abseits der Wahlen keine Bedeutung, waren gar lästig. Zukunft beginnt heute Nun rührt sich aber auf lokaler Ebene doch einiges, das Verhältnis zwischen Politik und BürgerInnenbeteiligung wandelt sich: Die jüngeren Politikergenerationen haben gelernt, dass man Zukunft nicht mit Machterhalt in festgefügten Hierarchien gestalten kann. Das Realisieren von Projekten funktioniert vielmehr am besten in Teamarbeit. Diese Erkenntnis stammt zwar im Grunde aus der wettbewerbsgetriebenen Organisation von Industriebetrieben, sickert aber auch in die Politik ein. Das zeigen auch erste, aber sehr konstruktive Übungen in der Beteiligung von Bürgern in konkreten Bauprojekten von Deutschfeistritz über Gratwein-Straßengel bis Frohnleiten. Dazu zählt auch das Bekenntnis der Gratwein-Straßengler Politik, Gruppen wie ZOR stärker zu involvieren. Thomas Frewein, Obmann des Gratwein-Straßengler Ausschusses für Bürgerbeteiligung: „Die Arbeit von ZOR wird von uns wertgeschätzt und sehr positiv beurteilt. Daher auch unsere Initiative für einen Gemeinderatsbeschluss, dass ZOR sich mit den Bürger:innen Gedanken macht und die Gemeinde das unterstützt und die Ergebnisse würdigen wird.“ Gelieferte Ideen sollen nicht als Konzept abgegeben, sondern präsentiert und umgesetzt werden – was die Politik ablehnt, verdient auch eine Begründung. Daher nehmen nun die „alten ZOR- Knacker“ einen weiteren Anlauf: Sie reaktivieren sich, als ein von vorne herein politfreies und überparteiliches „Forum“. PolitikerInnen aller Fraktionen sind zwar zum laufenden Projekt eingeladen, ihre Stimme ist aber nicht mehr wert als die jeder anderen Teilnehmenden. „Das lokale Hickhack blenden wir überhaupt aus,“ so Johann Sattler, die Bevölkerung wird noch einmal zur Mitarbeit motiviert, an Gesprächsrunden nehmen bis zu 40 Personen teil. Diese Arbeitstreffen werden auch von der Gemeinde finanziell unterstützt. Doch bei aller aufkeimenden Hoffnung bleibt das ZOR-Team vorsichtig: Um die Zusammenarbeit mit der Gemeinde auf eine gemeinsame Basis zu stellen, hatte man voriges Jahr Musterstatuten ausgearbeitet, wie die Kommunalpolitik in einem standardisierten Prozess mit BürgerInnenbeteiligung verfahren könnte. ZOR-Ideen in Rein, die auf ihre Umsetzung warten und auch im Hinblick auf das 900-Jahr-Jubiläum des Stifts von Bedeutung wären: • Reaktivierung des Teichs vor dem Stift • Integrierter, alternativer Hochwasserschutz • Reaktivierung des Stiftsgartens • Renaturalisierung des Johann Papst-Hallen Areals • „Komm Rein“ Begegnungsinsel im Bereich des Gemeindeamtes Rein • Reaktivierung eines Ortszentrums • Permanentes Museum für die Geschichte des Reiner Hornsteinabbaues, der sehr interessanten Geschichte von Rein und der gesamten Gemeinde ZOR Projektmanager Johann Sattler Andreas Braunendal
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