Jegg-Life-Magazin März 2016 - page 58

Jegg-Life plus 2016
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Im Mittelalter musste auf den Galeeren die
Schlagzahl bis zu sechs Stunden durchge-
halten werden, in denen man rund 30 Mei-
len schaffte. Die Schlagmänner waren dabei
zumeist Sträflinge. Gerhard Peinhaupt tat es
freiwillig. Ihm reichten 90 bis 100 Schläge pro
Minute, jeweils rund 25 Minuten lang für drei
Weltmeistertitel. Freilich: der Galeerenschlag
der Ruderer im Mittelalter (voga a scaloccio)
war von ganz anderer Technik, als jene von
Gerhard Peinhaupt. Damals …
Wasserfahrer-Hochburg Graz
Zu Wasser-Fahren wird seit Menschengeden-
ken. Also geschah es, dass Graz und die Mur
vor rund einem halben Jahrhundert zu einer
der Wasserfahrer-Hochburgen wurde. Ja so-
gar zum Nabel der Welt im Rudersport. Doch
dabei führte auch der Zufall mit Regie. Besser
gesagt: Ein schneearmer Winter 1968/1969,
ähnlich wie heuer.
Peinhaupt war damals der Junior im Schi-
sportlichen Grazer „Trio Infernal“: Der An-
dritzer Kaufmann Walter Kuzma, Fleischer-
meister Helmut Bernhard aus Gösting und
Peinhaupt fuhren als „Schiklub Steiermark“
auf zwei Bretteln alles in Grund und Boden,
was nicht dem ÖSV-Team angehörte. Im
Die im kaltenWasser sitzen ...
Auch ein Schlag ins Wasser kann zu Weltruhm führen. Personifizierter Beweis: Ger-
hard Peinhaupt. Dabei war Schneemangel mit schuld, dass Graz einen Paddelwelt-
meister bekam. Komisch. Oder?
Sporthilfe-Journal liest es sich so: „Eigent-
lich hätte es für Peinhaupt eine Karriere in
der Spur von Karl Schranz werden sollen…“.
Das Allrounder-Trio hatte die Sommer über
im Paddelboot trainiert. Hobby-Paddler
Peinhaupt gelang es dann mit 17 Jahren, den
damaligen Abonnement-Weltmeister Kurt
Presslmayer bei einer Regatta zu schlagen.
„Peinhaupt, wer?“ fragte der Oberösterrei-
cher. Und erhielt ein paar Jahre später die
Antwort.
Mutters Gummihandschuhe
Zurück zum Winter 1968/1969: Die Schi-
fahrer hatten, gezwungenermaßen freiwillig,
mehr Pause als Rennen. Darum gingen sie
ins Wasser, besser gesagt: in die Mur. Denn:
Die Mur friert nie zu, so das sportliche Kal-
kül. Mit Handschuhen wurde das Wildwasser
bepaddelt. Gerhard tat es mit den Gummi-
handschuhen seiner Mutter. Böse Zungen be-
haupteten, dies wäre nur wegen der Kälte und
nicht des damals so (un-)reinen Murwassers
wegen gewesen…
Aus den erzwungenen Wasser-Wintertrai-
nings wurde bald mehr - Peinhaupt-Erfolge
nämlich. Wein aus Wasser, könnte man es
biblisch nennen. 1971 Vizeweltmeister, 1973
WM-Bronze in der Mannschaft, 1975 Einzel-
Weltmeister in der Wildwasser-Regatta auf
der Rabica, nahe Skopje in Mazedonien. 1977
dann der ganz große Wurf: Doppelweltmeis-
ter - in der Einzelregatta und mit der Mann-
schaft. Noch dazu bei der Heim-WM auf der
Drau im Kärntner Spittal. „Die Drau ist ir-
gendwie mein Spezialwasser geworden“, sagt
der heutige Sportamtsleiter der Stadt Graz
lässig. Klingt komisch für den Laien. Was-
ser ist Wasser, oder? „Nein, so wie der Gol-
fer beim Putten das Green „lesen“ muss, soll
der Paddler Stromschnellen, Wirbel, Untiefen
etc. (er)kennen, um dazwischen den schnells-
ten Weg zu finden“.
Weltmeister – ein brotloser Erfolg
Als Mehrfach-Weltmeister genoss er höchs-
tes sportliches Ansehen. Dennoch waren
es damals noch mehr oder minder brotlo-
se Erfolge. „Die einzige Frage war für uns
nur, wie werde ich Weltmeister, nicht, was
verdiene ich“. Schon damals wusste er, auch
mit den Erfolgen als Weltmeister sein Leben
nicht finanzieren zu können. Somit dauerte
sein Studium (Magister für Germanistik und
Leibeserziehung) satte 18 Semester. Denn
im Sommer war er Sport-Profi, der sich als
Paddel-Trainer in Canada und mit anderen
Jobs seinen Luxus des Langzeit-Studenten fi-
nanzierte.
Sportler-Portrait
Erich Cagran
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