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echt L i fe
| September 2017 | Seite 9
schlechtesten Fall sogar vorsätz-
lich darauf abzielen, dass in einer
Sache nichts herauskommt. „Sol-
che Placebo-Geschichten führen
auf direktem Weg zum Vertrau-
ensverlust“, so Ehmann.
Fragwürdiges
Beispiel aus Graz
Die Stimmen der „Grünen“ wa-
ren ausschlaggebend für die
nötige Zweidrittelmehrheit im
Gemeinderat, um 2017 den Flä-
chenwidmungsplan zu beschlie-
ßen. Dieser sieht die größte Bo-
denversiegelung ever vor – für
einen ausgewiesenen Wohn-
landbedarf von 3.731 Hektar(!).
Wie Grün sind da die Grünen?
Krautwaschl: „Darüber weiß ich
nicht Bescheid, kann also nichts
dazu sagen. Wenn´s aber so ist,
wie hier dargelegt, dann wäre es
schon bedenklich.“
Politiker-Schule gibt᾿s nicht
Wie viel Professionalität braucht
also die Politik? Oder: wie
viel bräuchte sie? „Die Politi-
ker-Schule gibt es nicht“, so Eh-
mann trocken wie korrekt. Jeder
Berufstätige muss sein Fach ler-
nen, Politiker werden gewählt
und …? Die Landtags-Abgeord-
nete Krautwaschl: „Ich bin vor
2 Jahren über (m)ein „Grünes“
Thema in die Politik reinge-
kommen. Es geht mir darum,
Verantwortung auf allen Ebenen
wahrzunehmen. Das interne
Hickhack tut mir weh, das ist oft
zermürbend“. Harald Oberhuber
nennt die parteilichen Schulun-
gen als Grundlage seiner noch
jungen Karriere als Bezirksvor-
steher. „Die Erfahrung meines
Bezirksparteiobmanns Michael
Klug und das vermehrte Anhö-
ren der Probleme der Menschen
im Bezirk helfen mir, die Politik
praktisch zu verstehen.“
Das Team dahinter
Aus Sicht des Bürgermeisters,
der als Bäckermeister auch einen
Betrieb führt, geht es für Michael
Viertler darum: „Als Bürgermeis-
ter setzten mich die Wähler hin –
als Führungspersönlichkeit. Als
Politiker kann ich nicht alles bis
ins Detail wissen. Da brauche ich
Verantwortliche in der zweiten
Reihe, auf die ich mich verlas-
sen kann. Und muss.“ Dass diese
Leute oft aus den eigenen Partei-
reihen rekrutiert werden, ist in
Österreich normal. „Sicher ein
Widerspruch in der Demokratie,
das sind oft die Bremsklötze …
Ich jedenfalls bin bisher gut da-
mit gefahren, meinen Leuten zu
vertrauen.“
Fehler eingestehen
Ehrlichkeit,
Glaubwürdigkeit,
Vertrauen – in unserem Ge-
spräch immer wiederkehren-
de Begriffe. Harald Oberhuber
kritisch: „Die Parteien belauern
einander gegenseitig, um Fehler
den anderen zuzuschieben. Die
Glaubwürdigkeit ist für mich das
A & O. Heißt: Fehler auch ein-
gestehen und dazu zu stehen.“
Grundsätzlich ja sagt Ehmann
dazu, „das Problem ist aber, dass
die Öffentlichkeit beim Eingeste-
hen oft nur über ein Halbwissen
verfügt; das ist aber gefährlicher,
als nichts darüber wissen.“
Sandra Krautwaschl in entwaff-
nender Offenheit: „Als Einzel-
person für die Sache zu kämpfen
hält mich aufrecht. Das tu` ich
nach bestem Wissen und Gewis-
sen. Auch, wenn ich dabei Feh-
ler machen sollte.“ Ja, das glaubt
man ihr. Nicht weniger direkt
ist Bürgermeister Viertler: „Im
normalen Leben kann ich Fehler
zugeben. In der Politik ist bei so
manchem Ehrlichkeit aber keine
Kategorie. Ich plädiere daher, es so
zu halten, wie ich es selbst prakti-
ziere: Mit Ehrlichkeit undVerstand
für die Menschen da sein.“
So kann᾿s nicht weitergehen
Wem also sollen die Bürger bei
der Nationalratswahl glauben
und vertrauen? „Der Wahlkampf
ist eine Katastrophe“, sagt Micha-
el Viertler. Und: „In diesen Situ-
ationen hofft man, dass es besser
wird – mit der Überbürokratie
oder dass Bürgerrechte verein-
facht werden. Alle sollten mit of-
fenem Visier agieren.“
Michael Ehmann appelliert, sich
der komplexen Themen anzu-
nehmen. „Wir sollten einen fairen
Umgang miteinander pflegen.
Schließlich will jede Fraktion nur
das Beste für die Bevölkerung.“
Harald Oberhuber ergänzt, dass
sich alle Parteien geeinigt haben,
ehrlich zu sein. „Zu viele Wahlen
in letzter Zeit haben die Wähler
zusätzlich verunsichert. Die Be-
völkerung will das nicht mehr“.
Und er fügt die Aussage seines
Parteichefs Strache im ORF-In-
terview hinzu, wo dieser erklärte
„Mehr direkte Demokratie kann
nicht falsch sein.“
Wie treffend dann das Schluss-
wort dieser „interessanten und
herausfordernden
Gesprächs-
runde ist,“ wie Sandra Kraut-
waschl sagte: „Damit ist der Be-
weis erbracht, dass es so nicht
weitergehen kann – und gleich-
zeitig nutzen wir die Chancen
nicht.“ Nachsatz: „Spontane Ge-
sinnungswechsel fördern nicht
das Vertrauen …“
„Nie mehr wieder“ – Bürger demonstrieren gegen leere
Politiker-Versprechen
EXPERTENFORUM
Herausfordernde
Gesprächsrunde (v. l.)
Michael Viertler,
Sandra Krautwaschl,
Harald Oberhuber
und Michael Ehmann
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