echt Life 4 2017 - page 30

Seite 30 | November 2017 |
echt L i fe
Echt Life: Frau Pluhar, Sie haben in einem
Interview mit dem bayrischen Rundfunk
einmal sinngemäß gesagt, dass sie es für
wichtig halten, zu seinem Alter zu stehen.
Sie sind zu Kriegsbeginn im Jahr 1939 ge-
boren, das heißt sie werden im kommenden
Februar 79 Jahre alt. Woher nehmen Sie
die Kraft, noch immer so viel Zeit auf der
Bühne zu verbringen?
Erika Pluhar:
Das weiß ich nicht. Ich glau-
be, wenn man einigermaßen g‘sund ist, also
wenn der Körper noch funktioniert und,
was noch wesentlicher ist, der Kopf … dann
geht das. Körperlich liegt es ja an der eigenen
Disziplin wieviel man sich bewegt. Und ich
profitiere von meiner Lebenssituation: Ich
schreibe Bücher, ich schreibe Texte und singe.
Mein Kopf ist also immer irgendwie im Trai-
ning würde ich sagen. Was ich jetzt im Alter
besonders merke, gewusst habe ich‘s immer
schon: Man geht oft wirklich geschlaucht, fix
und fertig, manchmal krank auf eine Bühne.
Und irgendwie, durch diesen Kontakt mit
dem Publikum, ist es schon erstaunlich, wie
wenig einem plötzlich fehlt. Dann geht man
wieder runter und sofort ist einem wieder
elend. Ich bin ja heute nicht mehr auf Thea-
terbühnen. Da würde ich in Stücken spielen,
wo mir nicht alles gefällt. Das tue ich nicht
mehr, ich bin ja nicht mehr aktive Schau-
spielerin. Aber das was ich da heute singe,
das Arbeiten mit so wunderbaren Musikern,
mit meinen eigenen Texten … . Dabei bin ich
selbst ja nicht im eigentlichen Sinn Musike-
rin, ich kann nicht Noten lesen und ich spiele
kein Instrument. Dafür ich habe sehr, sehr
gute Ohren …
Echt Life: Die Stimme ist doch ein Instru-
ment …
Erika Pluhar:
Ja, meine Stimme ist mein Ins-
trument und ich habe das Glück, im Laufe der
Jahre so wunderbare musikalische Gefährten
gefunden zu haben. Ich sage immer zu den
Menschen, sie sollen singen, und sei es in der
Badewanne, beim Kochen oder beim Spa-
zierengehen. Singen ist etwas, das den Men-
schen erlöst. Nicht umsonst haben Menschen
immer schon gesungen, das hält ein bisschen
Leib‘ und Seele gesund. Man sollte natürlich
auch in den Schulen und wo immer man mit
Singen zu tun hat, unbekümmerter sein und
wirklich jeden singen lassen.
Echt Life: Geistige Offenheit hier, das raun-
zende Wien, der Winter in Österreich mit
all seinem Grau da, und ihre enge Bezie-
hung zu Portugal: Flüchten Sie über das
Winterhalbjahr ab und zu?
Erika Pluhar:
Ich habe unsere Gegebenhei-
ten mit den Jahreszeiten eigentlich sehr gern.
Ich habe nix dagegen, dass es grau wird im
Herbst und kalt und finster im Winter. Und
ich bin unglaublich beglückt, wenn der Früh-
ling wieder ausbricht. Gerade meine Unzu-
friedenheiten über das Wetter sind geringfü-
gig. Doch ein-, zweimal im Jahr möchte ich
schon an den portugiesischen Atlantik, da
geht’s mir um das Meer. Das ist wiederum ge-
sund für die Seele.
Echt Life: Sie haben in einemInterview auch
gesagt – und das hat mich gewundert, weil
sie für mich so ein Inbegriff eines in sich
ruhenden, selbstreflektierten Menschen
Singen wir ein Lied, trotzdem
Am 11.11.2017 konzertierte Erika Pluhar gemeinsam mit Klaus Trabitsch und MoZuluArt
in Gratwein-Straßengel. Wir nutzten die Gelegenheit für ein Gespräch mit einer faszinierenden,
facettenreichen Künstlerin über ihre Kraft im Alter, den Umgang mit Wut und Aufregung,
und natürlich über sexuelle Belästigung.
Interview mit
Erika Pluhar
Andreas
Braunendal
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