Jegg-Life plus September 2015 - page 36

JEGG-Life plus 2015
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Für Kulturschaffende kam es wie ein ersehn-
ter Regen in diesem Sommer: Kulturlandes-
rat Christian Buchmann rief in der ersten
Sitzung der neuen Landesregierung im Juni
eine „Steiermark EXPO“ aus.
Diese sei auch im Koalitions-
abkommen enthalten. Die seit
Jahren ausgehungerte Landes-
kultur lechzte nach so einer
Frohbotschaft. Erwartungen
von Künstlern sprangen spon-
tan von Null auf Hundert, wie
ein Befreiungsschlag. Diese
EXPO soll ein Regionalimpuls
sein und abwechselnd in den
steirischen Bezirken stattfin-
den. Startregion: Der Bezirk
Graz-Umgebung, dem Haupt-
Verbreitungsgebiet dieses Magazins. (Siehe
das Interview mit Landesrat Buchmann auf
Seite 35).
Neuanstoß ist wichtig
Klar, bei Kulturschaffenden in GU kam rasch
Aufbruchsstimmung auf. Unsere Redaktion
stellte diese Steiermark EXPO auf den Prüf-
stand – und ausgewiesenen Kulturexperten
zur Diskussion (siehe auch Zitate im Block
unten). Das Credo der „Viererbande“: Ein
Neuanstoß ist immer wichtig! Doch rasch
zog so etwas wie Ernüchterung auf. Buch-
mann sieht es als Leistungsschau und will
damit wohl die regionalen Eckpunkte seines
Wirtschaftsressorts mit etwas Kultur aufma-
scherln, so die erste Diagnose des früheren
Landesausstellungsleiters Luigi Stadler. Kul-
turmanager Christian Marczik konnte noch
kein wirkliches Konzept dahinter erkennen,
während Prof. Kurt Gober nüchtern feststell-
te: „Verteilt auf das ganze Bundesland kann
das nicht funktionieren“.
1.500 Euro/Jahr
K 3 – Kulturvereinsobmann Andreas Brau-
nendal schluckte kurz und gestand aus seiner
Erfahrung in Gratwein-Straßengel, dass die
Gemeindezusammenlegung der Kultur kei-
nen Schritt weitergeholfen habe. „Wir sind
leider in einem räumlichen Loch – nicht
Graz, nicht Öblarn, nicht Perugia (Italien)“,
von wo funktionierende Beispiele und Mo-
delle auf den Experten-Tisch kamen. Die
genannte Gemeinde-Subvention von 1.500
Euro/Jahr wurde mitleidig belächelt. Dass
von Kulturtreibenden aber kaum mehr als
die Adresse des Blasmusik-Obmanns in der
Gemeinde bekannt ist, wie Braunendal sagte,
brachte Dampf in die Diskussion.
Sponsorgelder fehlen
Was passiert, wenn sich die Politik von der
Kultur verabschiedet, erklärte Gober am Bei-
spiel des Jazzsommers in Graz. „Gratiskon-
zerte mit Künstlern der sechsten Kategorie.
Ein einstiges Highlight ist abgestürzt…“.
Dem folgte eine Auflistung, woran es krankt.
„Viele früher im Kulturbereich engagierte
Steiermark EXPO mit
Planabfahrt nach GU?
Mit dem ausgerufenen Plan einer Steiermark EXPO ist Kulturlandesrat Buchmann in die
neue Regierungs-Periode gestartet. Mit dem Bezirk Graz-Umgebung als Premierenregion.
Um die Fragen zur Lage zu klären, baten wir eine hochkarätige Expertenrunde zur EXPO-
Diskussion.
Sponsoren haben sich zurückgezogen, finan-
zieren nur noch messbaren Kommerz. Der
Kultur fehlten heute schon 70 bis 80 Prozent
der Sponsorengelder“, hebt Christian Marczik
den Zeigefinger. „Die Unternehmen haben
schlicht und einfach nimmer das Geld“, weiß
Braunendal. Ergo: es fehlen auch die geeig-
neten Spielstätten, meint Gober, nennt aber
umgekehrt auch Positiv-Beispiele:
„Wenn die Qualität stimmt, pas-
sen die Besucherzahlen und dann
steigt auch die Wirtschaft wieder
ein“.
Verkehrter EXPO-Ansatz
Dass diese Steiermark EXPO ver-
kehrt aufgezogen wird, kritisiert
Luigi Stadler. Nämlich, dass LR
Buchmann bei den Budgetver-
handlungen erst von allen Res-
sorts das Geld dafür sammeln will
– ohne dahinter überhaupt ein
konkretes Konzept zu haben. Richtig wäre:
Entwickle etwas und besorge dann das Geld.
Hab` ich Geld, dann mache ich was – dieser
aktuelle Denkansatz stimmt nicht, sind sich
alle vier einig. Vor allem auch nicht in zeitli-
cher Hinsicht. Ein kolportierter EXPO-Start
2016 erscheint allen unrealistisch. Ihre Ein-
schätzung: eineinhalb bis drei Jahre Vorlauf,
sonst wir es nichts.
Macher aus den Regionen
Viel wichtiger wäre es, in jeder Region einen
Koordinator zu installieren, der mit regiona-
len Künstlern ein Programm erarbeitet. Und:
„Ja, es gäbe diese Leute in den Bezirken“, ist
Stadler wissend. Gober setzt nach: „Es wäre
die Aufgabe der Politik, einen Macher in
jeder Region zu finden, der die Künstler zu-
sammenführt“. Regionale Kulturbeauftragte
zu installieren, statt im Voraus viel Geld rein-
zubuttern – ein logisch klingender Ansatz.
Konkret: „Ernsthaft Leute aus allen Sparten
einladen, um gemeinsam zu planen“, fordert
auch Marczik. Wozu Andreas Braunendal für
den Großraum GU-Nord schon einen kon-
kreten Vorschlag im Sinne der EXPO-Idee
parat hat: Holz (Mayr Melnhof), Papierin-
dustrie (Sappi) und edle Papiernutzung (Stift
Rein). Darüber die Klammer der Darstellung,
die von Künstlern und Kunstschaffenden
kommen kann und soll. Braunendal: „Wenn
es aber nur darum geht, die Regionalität he-
rauszustreichen, dann bin ich bei der Kom-
merzialisierung. Dazu braucht´s aber auch
nur ein längeres Brainstorming …“.
Chance für neue Brücken
Die EXPO wäre für die vier Experten gleich-
zeitig die Chance, neue Brücken zu schlagen.
Kultur
Erich Cagran
• Gasser Werbung | Fotos: 1 x Fotolia
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