Jegg-Life plus September 2015 - page 58

JEGG-Life plus 2015
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Keiner flog so tief
über den Plesch...
Günt her Janger
(73), mehr als ein
Jahrzehnt Rallye-Pi-
lot der Extraklasse.
Heute: „Profi“ unter
Radamateuren mit
Prädikat: wirklicher
Experte. Sein Ge-
schäft in Gratwein
nennt man unter
Sportsfreunden den
„Feinkostladen“ un-
ter den heimischen
Zweirad-Boutiquen.
Dass er nebenbei ein
eigenes MTB-Team
unterhält, selbst den
Teamchef gibt und
mehr als 2.500 km
im Jahr radelt, hat echte Janger-(Vor-)Züge:
„Es ist der Lerneffekt – wir testen, was sich bei
den Produkten bewährt und sind daher stets
am aktuellen Stand der Technik“. Daraus re-
sultiert die hohe Akzeptanz der Janger-Fach-
beratung für die Kunden aus dem In- und so-
gar Ausland: „Alleine die Radergonomie ins
Detail zu kennen, ist heute längst zu wenig…“
Mit dem Puch-Häus`l
Apropos Technik: Janger, der in früher Jugend
auf Turnvater Jahns Spuren als Allround-Ath-
let bis zu 15 Bergturnfeste im Jahr gewann,
unterlag zusehends dem Reiz der Technik.
Nach Rennsiegen mit selbst „frisierten“
Mopeds, diente ein daheim selbst gebas-
telter Puch 500 als „Einstiegsdroge“ in den
Rallye-Sport. 1965 schon der erste Start bei
der gefürchteten Monte Carlo Rallye mit der
bekannten „Nacht der langen Messer“, der
Eis- und Schneesonderprüfung am Col du
Turini. Soweit kam Janger dann doch nicht
mit seinem „Puch Häus´l“, wie er es heute
noch lieb nennt. „Alles gut gegangen – bis
Grenoble“, da machte die Lichtmaschine die
Premiere zur Finsternis…“.
Mit spektakulären Auftritten bei EM-Läu-
fen bis 1967 machte der Privatfahrer auf
sich aufmerksam.
Logische Konsequenz:
1968 angelte sich VWAustria den „Driftkönig
aus Gratwein“ und Janger wurde Werksfahrer.
Dort hatte er mit dem legendären Sportchef
Pauli Schwarz einen kongenialen Partner, der
bescheiden sagte: „Wir machen aus jedem
Käfer einen heißen Ofen…“. Alsdann: Janger
begann damit zu „kochen“ – und zu fliegen.
Auch in luftige Höhen der Ergebnislisten.
Wo man zuvor lauter Namen mit Weltruf fand:
Björn Waldegard (Porsche), Simo Lampinen
(Saab), Sandro Munari und Hakan Lindberg
An Attributen hat es ihm nie gemangelt: Von „Janger on the Roof“ über „König
der Drifter“ bis „Ogier der Käferzeit“. Günther Janger aus Gratwein, einer aus dem
Quartett der Lenkraddreher, die aus der Steiermark das Motorsportland Nummer 1
gemacht haben. Weltweit. Damals, in den Siebzigern…
(beide Lancia), Achim
Warmbold (BMW), Rafa-
ele Pinto (Fiat Spyder)
oder Jean-Francois Piot
mit einem gewissen Jean
Todt, heute Präsident des
Weltverbandes FIA, am
„heißen Sitz“.
Der Plesch-Tiefflug
Günther Janger war
rasch
angekommen.
1969 – erster Start bei
der 1000-Minuten-Ral-
lye im Käfer 1500, erster
Sieg, zwei weitere Top-
Ten-Platzierungen. Ähn-
liche Ergebnisse 1970
und 1971. Dann der
Karrierehöhepunkt 1972: Rallyestaatsmeister
und 7. in der EM. Absolutes Highlight die-
ser Saison: die Heimetappe der Alpenfahrt
– Sonderprüfung Stift Rein über den Plesch
nach Geistthal. 16 km, die in die Annalen ein-
gehen sollten. Für Janger und die Chronisten.
Mit seinem 123 PS starken Käfer 1303 S ver-
blies er den Rest der Welt regelrecht – mehr
als 10 Sekunden vor der Armada der Fiat Spy-
der, gut 40 PS stärker und mit Raffaele Pinto,
dem späteren Europameister, am Lenkrad.
„So tief flog noch keiner über den Plesch“, so
Zeitungskommentatoren. Ich durfte davor
ein Plesch-Training leibhaftig erleben – als
wegen des Autogewichts nötiger „Ersatz“ für
Stamm-Copilot Walther Wessiak. Und titelte
„Eine Nacht im Rallye-Cockpit“. Janger und
ich lachten jetzt in der Nachbetrachtung. Als
wir damals den Plesch erreichten, ich krei-
debleich, sagte mir Günther „aufmunternd“:
„Wir haben leider zu wenig PS, müssen unse-
re Zeit bergab rausfahren…“. Mit Kracher ein
paar Kurven weiter: Günther hat den Käfer in
einer Kurve so beherzt „angestellt“, dass der
Kotflügel an einem Stein „leicht verformt“
wurde. So beschrieb ich diese Nachtfahrt. Jan-
ger, der begnadetste Downhiller auf den Ral-
lyepisten Europas. Und Meister-„Dompteur“
unter den „Heckschleudern“, wie Hecktriebs-
Autos genannt wurden. Der Spaßfaktor, ge-
paart mit für damals überdurchschnittliche
Athletik, waren Jangers Schlüssel zum Erfolg.
Damals.
4 Steirer an der Weltspitze
Damals, Anfang der Siebziger, da war die
Steiermark der Mittelpunkt. Das grüne Herz
von „Good old Austria“ war der Nabel der
Motorsportwelt. Der neue Österreichring
wurde zur Vollgas-Kultstätte, Jochen Rindt
vergöttert, leider auch zu Grabe getragen.
Helmut Marko gewann die 24 Stunden von Le
Mans und dieser Günther Janger entschied de
facto die „europäischen Rallye Meisterschaf-
ten von Gratwein“ für sich. Mit dem Plesch-
Rekord für die Ewigkeit und als Nachfolger
von Gratwein-„Apotheker“ Gernot Fischer
als Staatsmeister. Auch privat erlebte Janger
einen Höherpunkt: Sein erster Sohn Bernd
wurde geboren.
Danach kehrte etwas Ruhe ein, nachdem
1973 die Energiekrise dem Gaspedal des
Rallyesports die Energie entzog. Janger fuhr
danach bis 1976 nur noch vier internationa-
le Rallyes – zwei auf Käfer, je eine mit Opel
Ascona und Ford Escort RS. Fazit: 3 Ausfälle.
Dabei erinnert er sich heute noch mit Begeis-
terung an die Insel-Elba-Rallye (eine etwas
andere Elba-Story siehe Seiten 24/25). Im
Kurvenlabyrinth der dortigen Schotterstra-
ßen, seinem Lieblingsuntergrund, war Janger
in seinem Element. „Auf einer Länge, wo nor-
mal 3 Kurven sind, waren dort sieben – mehr
„Powerslide“ ging nirgends …“
Noch lange nicht Schluss
Im zivilen Verkehr ist der einstige Vollgas-
Großmeister fast bieder. „Ich brauch keinen
Porsche – man kann im normalen Verkehr
eh nicht schnell fahren, abgesehen von den
Beschränkungen“. Aber, und das gibt er schon
zu: „Eines der heutigen Rallye-Geräte einmal
zu probieren, würd` mich schon noch rei-
zen…“. Umgekehrt: „Meine vier Enkelkinder
aufwachsen zu sehen, mit ihnen zu spielen –
das macht noch mehr Spaß“.
Radgeschäft samt Fachwerkstätte
Ergo dessen beschränkt er sich lieber auf zwei
Räder. Selbst mit dem MTB unterwegs, ist
ihm seine Rallye-Vorliebe geblieben: Bergab-
fahren – höchst konzentriert, aber mit Speed.
Einmal mutig, immer mutig…Mit Gattin Ul-
rike und sechs Mitarbeitern „schupft“ er sein
Radgeschäft samt Fachwerkstätte. Rund 1.200
Räder verkauft er jährlich. Den Österreich-
Aspekt nicht aus den Augen lassend: Mit Rä-
dern von KTM und „ Simplon“ (einer kleinen
Edelschmiede in Hard/Vorarlberg) ist er auf
hohem Level bestens bestückt.
Den aktuellen E-Bike-Boom
hat er (fast) im Griff.
Diese sind heute schon recht gut entwickelt.
Die Nachfrage ist so aber stark, dass die Her-
steller schon nimmer liefern können“. Den-
noch ein guter Rat: „Hände weg von Billig-
Produkten – diese erscheinen zwar günstig,
schaffen aber nur Unzufriedenheit bei Kun-
den, wie meine Erfahrungen zeigen“. Dabei
könnte sich Günther Janger längst zur Ruhe
setzen. Tut es aber nicht. „Wenn ich nicht im-
mer noch unverändert Spaß dran hätte, wäre
ich längst schon in Pension …“.
Dieses Bild ging 1972 um die Welt: „Janger on
the Roof“ – und am Karriere-Plafond
Sportlegenden
Erich Cagran
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60
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