Jegg-Life-Magazin Juni 2016 - page 62

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| Juni 2016 | Seite 62
Fußball soll ein Spiel aus und mit
Freude und Spaß sein. Darüber
sind sich unsere Experten einig.
Die Realität ist leider eine an-
dere. Und die beginnt schon bei
U11-Mannschaften. Siegen um
jeden Preis ist oberstes Gebot.
Einander zu respektieren wird
immer beiläufiger, die Ausdrü-
cke derber. Rassistische Ansätze
nehmen zu und die verbalen „In-
terventionen“ von den Zusehern
zunehmend aggressiver. Vor al-
lem seitens der Eltern, vornehm-
lich gegen Schiedsrichter. So das
Resümee von Besuchen mehre-
rer Sportplätze und Jugendspie-
le in Graz und Umgebung mit
unseren Experten. Namen der
beobachteten Vereine und han-
delnden Personen sind bewusst
ausgeblendet.
Kein Respekt
Wenn schon bei Jugendmann-
schaften am Spielfeld „Trottel“
und „Depp“ zum Umgangs-Ton
werden, ist was falsch gelaufen.
Auch in der Vorbildwirkung von
Erwachsenen, bei den Eltern,
den Trainern. Franz Stradner,
Jugendreferent im steirischen
Fußballverband: „Die Vorbild-
wirkung von Trainern ist leider
nicht immer gegeben. Anfeuern
zum Sieg um jeden Preis ufert oft
verbal aus. Unschöne Zurufe von
Eltern gegenüber Schiedsrichtern
tragen auch dazu bei, dass schon
bei Kindern jeglicher Respekt
verloren geht“.
Fairness ist keine
Kategorie im Fußball
Expertenforum von Erich Cagran
In Frankreich geht die EM in die
heiße Phase. Das „No Racism“ der
EM ist aber im heimischen Jugend-
fußball noch nicht
überall angekommen.
Im Gegenteil, es wird dramatisch
bösartiger. Ein Expertenforum
über eine unliebsame Entwicklung.
Wenn Kinder mit dem Fuß-
ball beginnen und zu Vereinen
kommen, sind alle immer ganz
brav, weiß GAK-Jahrhundert-
Tormann- und A-Lizenz-Trainer
Savo Ekmecic. „Wenn die Kin-
der schreien beginnen und im
Spiel Aggressionen ausleben
wollen, ist der Trainer für Ord-
nung zuständig, am Spielfeld der
Schiedsrichter. Beiden müssen
von Beginn an dafür sorgen, dass
die Jungen kapieren, um was es
geht: um ein Spiel. Wer das nicht
akzeptiert, hat am Fußballplatz
nichts verloren“.
Fairness macht tolle Sportler
Womit der langjährige Schieds-
richter Werner Kickenweiz ins
Spiel kommt. Er fordert eine
neue, straffere Vereins-Disziplin
ein. „Die Vereine sind verant-
wortlich, auch für ihre Trainer,
die meist nur das Leistungsziel
vor Augen haben, nicht aber den
ausbildnerischen Aspekt der Ju-
gendlichen. Wenn die Eltern bei
Spielen übergriffig werden, muss
der Schiedsrichter gerade im Ju-
gendbereich durchgreifen – und
Eltern des Platzes verweisen.
Ohne Wenn und Aber“.
Harte bis derbe Worte, die bei
den Spiele-Beobachtungen fielen,
von den Experten gehört und als
Ergebnis von uns protokolliert
wurden. Einer, der die Situation
auch täglich, jedoch und aus an-
derem Blickwinkel betrachtet, ist
Sportpädagoge und Ex-Fußballer
Amadeus Pichler. „Wenn ich in
der Schule 30 oder 50 neue Kin-
der bekomme, sehe ich sofort,
wer ein Kicker ist – das sind
zumeist auch die Schlitzohren.
Mein pädagogischer Auftrag
und meine Einstellung sind klar:
Nur Fairness macht einen tol-
len Sportler. Das unterscheidet
mein Trainingsprogramm, das
ich meinen Kindern als erzie-
herische Grundlage mit in die
Vereine gebe, von dem der Klub-
trainer“.
Da läuft was falsch
Die Vorbildwirkung wird von
Kindern besonders registriert.
Etwa, wenn Eltern beim Fußball-
Schauen (auch im TV) gegen-
über Kindern die Mätzchen von
Messi & Co. noch lustig empfin-
den. Wenn der Foulspieler einen
Freistoß für sich reklamiert oder
beim Out-Ball der Verursacher
sofort die Hand hebt und den
Einwurf haben will. Alles be-
wusste Versuche, die Spielregeln
auszuhebeln. „Kinder lernen von
den Eltern“, sagt Professor Pich-
ler; er kennt die Nachahmungs-
versuche, die Tricks der Großen
zu kopieren. Wenn sie dann von
Trainern sogar darauf getrimmt
werden, bei der ersten Berüh-
rung durch einen Gegner sich
fallen zu lassen, „dann läuft was
falsch“, so Mag. Pichler.
Schlimm wird es, wenn Kinder
untereinander sich missachten,
etwa der Hautfarbe wegen. „Die-
se Fälle nehmen leider seit eini-
gen Jahren deutlich zu“, beklagt
Jugendreferent Stradner. Kinder
südlicher Herkunft haben mehr
Temperament im Blut, sind oft
andere Sitten gewöhnt. Ein Bub,
der einem Mannschaftskollegen
mit schwarzer Hautfarbe den
Handschlag verweigerte, nann-
te als Begründung: „Mein Vater
hat gesagt, Schwarze stinken…“
Wenn bei solchen „Migrations-
spielen“, wie Stradner sagt, auch
noch ein vermeintlich falscher
Schiedsrichterpfiff ertönt, wird's
heiß. Eltern brüllen rein, oft in
fremden Sprachen aber mit kla-
ren Gesten, Spieler schreien sich
an. Schlimm.
Keine Sprach-Ausreden
Für Schiri-Verbandsreferent Ki-
ckenweiz ein klarer Fall von „No
go“. Er spricht einem rigorosen
Durchgreifen das Wort. „Laufen
Eltern aufs Spielfeld, wenn etwa
ihr Kind gefoult wird, hat der
Schiri den Ordnerdienst zu ru-
fen. Funktioniert dieser oder des-
sen Wegweisungen nicht, kann
er das Spiel auch abbrechen“.
„Normale“ Vorfälle, etwa „bloß“
Beschimpfungen, müssen nicht
gleich zu Anzeigen führen. „Da
plädiere ich für eine Meldung an
Jugendreferent Stradner, der mit
Zivilcourage die Eltern anspricht
und die Vereine aufklärt“. Doch
wie ist es, wenn Eltern und Kin-
der eine andere Sprache sprechen
und beteuern „nix verstehen“?
Experten-Diskussion (v.l.): Werner Kickenweiz, Franz Stradner, Savo Ekmecic
Ein faires Jugendspiel bei dem Spaß und Sport siegten
Fotos: Cagran (7)
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