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Seite 30 | April 2017 |
echt L i fe
R. Kupareo (1914–1994), ein Do-
minikanerpriester aus Vrboska,
beschreibt sie trefflich in seinem
Roman „Baraban“ (1943): „Kreu-
ze wandern durch die klare Ap-
rilnacht. Sie wandern nunmehr
seit Jahrhunderten zum Zeichen
der ungebrochenen Überliefe-
rung und des ungebrochenen
Glaubens. Immer wieder wan-
dern sie an denselben Wegen, an
denselben Klippen vorbei. Die
Jahrhunderte haben ihnen nichts
von ihrer Faszination und ihrer
tiefen Bedeutung nehmen kön-
nen“.
Die Prozession „Folge demKreuz
nach“ findet sich auch auf der
UNESCO-Liste des immateriel-
len Kulturerbes der Menschheit.
Seit mehr als zehn Jahren bin
auch ich immer wieder faszi-
niert von dieser Prozession, die
eigentlich aus sechs Teilprozes-
sionen besteht: Denn vor und in
jeder Kirche der Orte Jelsa, Pitve,
Vrisnik, Svirče, Vrbanj & Vrbos-
ka versammeln sich Klerus und
insgesamt jährlich meist weit
über 2.000 gläubige Teilnehmer
um die ganze Nacht betend und
uralte, tradierte Lieder singend
von Ort zu Ort und von Kirche
zu Kirche, insgesamt 22 km im
Uhrzeigersinn
weiterzuziehen
ohne sich dabei gegenseitig zu
begegnen.
Am Karfreitag in der Früh kehrt
schließlich jede Prozession in
ihre Ausgangskirche zurück:
nachfolgend die Ankunft in Jelsa.
Eine besondere Ehre ist es, bei
der Prozession Kreuzträger zu
sein. Junge Männer warten oft
über zwanzig Jahre auf die Er-
füllung ihres Gelübdes oder das
ihrer Väter, das schwere Kreuz
tragen zu dürfen.
Kreuzprozession
auf Hvar
Ostern anderswo
Die Prozession sammelt sich vor der jeweiligen Kirche, hier: Jelsa
Die Kreuzprozession auf der dalmatinischen Insel Hvar
(kroat. procesija za križem) ist ein Brauch, der in seinen Ursprüngen
auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Er findet seit damals stets
in der Nacht vom Gründonnerstag auf den Karfreitag statt.
Sie treffen sich bereits in den Mo-
naten zuvor regelmäßig um da-
für zu üben. Die Prozession wird
vom überlieferten Glauben an
das Weinen der Gottesmutter ge-
leitet, das man in der sogenann-
ten „Nacht der Qualen“ in den
Kirchen der Insel hören können
soll.
Vor der Prozession wird in der
Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt
von Jelsa ein Kreuz mit einem
schwarzen Schleier bedeckt. Auf
der Bank unter dem Kreuz knien
indessen drei Männer in weißen
Tuniken. An den Füßen tragen
sie nur weiße Wollstrümpfe. Der
Mann in der Mitte ist der Kreuz-
träger. Die anderen Teilnehmer
der Prozession halten Kerzen-
leuchter und sind ebenfalls in
weiße Tuniken gekleidet. Der
Priester übergibt dem Kreuzträ-
ger das 18 kg schwere Kreuz und
gibt die letzten Anweisungen vor
dem Beginn der großen nächtli-
chen Prozession durch die fünf
weiteren Ortschaften, aus denen
zeitgleich die anderen Gruppen
zu der Prozession starten.
Das letzte Wegstück wird als Zei-
chen der Aufopferung für die ge-
samte Gemeinde vom Kreuzträ-
ger alleine in Eiltempo bewältigt.
Er läuft mit dem schweren Kreuz,
bis er schließlich vom Priester in
die Arme genommen wird.
Quelle: Wikipedia
Ich fühle mich jedenfalls jedes
Mal aufs Neue in den Bann die-
ses lokalen österlichen Brauchs
gezogen, wenn ich diesen ural-
ten Ritus beobachten darf. Tipp:
Dalmatien einmal mit anderen
Augen betrachten.
Helmuth Schwischay
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