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Seite 40 | April 2017 |
echt L i fe
Elvis Presley starb 1977, Chuck Berry heute vor genau 18 Tagen. Dazwischen
raffte die Biologie eine ganze Legion von Rock-Legenden hin: MauriceWhite, James
Brown, Greg Lake, Rick Parfitt. Stirbt mit den Ur-Vätern auch der Rock ’n’ Roll?
Stirbt mit
ihnen auch der
Rock ’n’ Roll?
Die Geschichte hätte so einfach
werden sollen, wie es die Akkor-
de des Ur-Rock ’n’ Roll waren.
Mit vier Ja/
Nein-Antwor-
ten hätte alles
so einfach sein
können,
wie
deren media-
le Aufarbeitung unkonventionell
hätte werden sollen: Vier Antwor-
ten zu je maximal vier Buchstaben
– der Rest der Doppelseite hätte
unserem Layouter Werner Gasser
gehört: Die Bilder des Rock ’n’ Roll
alleine hätten die Geschichte (be)
schreiben sollen. Hätten…
Bevor Chuck Berry starb
Treffpunkt Opus-Studio, Juden-
dorf-Straßengel. Am Tag bevor
Chuck Berry starb. Wow, a echte
AMI Continental – die dekorati-
ve Juke-Box war entdeckt. Wow,
das Wunderding! „Rock around
the Clock“ is drinnen. Original
Bill Haley oder die „Blackboard
Jungle“-Filmversion? Der erste
echte Klassiker der neuen Rock
’n’ Roll -Szene. Nix da, der Origi-
nalsong von Bill Haley. Obwohl,
der war ka Sänger, vielmehr das
erste Sexsymbol dieser neuen Ära
in den USA. Aus, Schluss, liebe
Leute, unsereiner wollte euch bloß
eine simple Frage stellen. In spon-
taner mehrstimmiger Euphorie
der „Rocker“ ging sie unter. Gib
a Ruh, Rock, Rock, Rock every-
body …Da brauch` ma keine blö-
den Journalistenfragen?
Die Runde, an
die sich unsere
Frage gerichtet
hatte, war über
einen Altersra-
dius von genau
dreimal 23 Lebensjahren gespannt:
Vier Menschen zwischen 23 und
knapp 69 Jahren also. Ein Gene-
rationen übergreifender Exper-
ten-Level. Herwig „Sunny“ Pfleger,
Opus-Mastermind,VojoRadkovic,
Mr. Rock ’n’ Roll unter den-Kon-
zert-Veranstaltern und Doyen der
Szene-Journalisten in der Steier-
mark. Dazu aus München: der
Bühnen- und TV-Schauspieler,
Charakterdarsteller Johannes Sil-
berschneider, ein passionierter
„Rock“-Philosoph und Interpret.
Last but not least: Kristin Tant-
scher, junge Saxophonistin in der
Musikkapelle St.Veit-Andritz und
Mitglied der Tanzmusik-Combo
der Kapelle.
Lebensgefühl & neue Freiheit
Und weiter: Fachsimpeln ohne
Unterlass. Vojo: „Rock ’n’ Roll ist
nicht nur die reine Musik, das ist
ein Lebensgefühl“, und bringt da-
mit auf den Punkt, was an Emoti-
on im Raume schwebt. „Eine auf-
regende Zeit war
s, die die Jugend
weitergebracht hat. Aber diese gibt
es heute so nicht mehr“, blickt der
Opus-Chef fast wehmütig zurück.
Das sieht Kristin mit ihren zar-
ten 23 Jahren doch anders: “Rock
’n’ Roll “ ist für mich sowas wie
Gute-Laune-Musik, da schwingt
alles so schön…“. Schauspieler
Silberschneider, dereinst mit Ju-
gendband als „Johnny Silver and
the Clappers“ aufgetreten: „Ja, mit
Freiheit hatte das einst zu tun.
Neues, das man nicht einordnen
konnte…“ Und das begann so:
Rock ’n’ Roll – eine rasch zum
Mythos einer Zeit gewordene Art
Befreiung der damals unterdrück-
ten Rhythm-and-Blues Musik der
Schwarzen in den USA. DJ Alan
Freed war es, der 1951 im Ra-
dio in seiner Afterschool-Show
„Moondog Rock and Roll House
Party“ erstmals diese Musik spiel-
te. Damit erreichte er Mitte der
50er Kultstatus bei der schwarzen
Jugend. Weiße bekamen in dieser
Zeit der Rassentrennung erstmals
diese Musikformen zu hören.
Freed trat bald auch als Veran-
stalter von Livekonzerten auf. Bo
Diddle, der am 18. März verstor-
bene Chuck Berry, Big Joe Turner
Ray Charles, Fats Domino, Little
Richard und wie sie alle hießen.
Sie waren die Väter jener Musik,
die zu den wichtigsten Wurzeln
des Rock ’n’ Roll zählte. Johannes
Silberschneider sprach
s wie einen
Bühnentext.
Elvis, wer sonst?
Und dann kam er: Elvis Presley,
Stilikone, Mädchenschwarm –The
King of Rock ’n’ Roll. Vojo wird
schwärmerisch. „1955 bis 1958
hatte Elvis seine ehrlichste Phase
in Sachen Musik. „In The Ghet-
to“ – ein Klassiker als Verneigung
vor den benachteiligten schwarzen
Rhythm and Blues-Künstlern. Da-
mit appellierte er als weißer Künst-
ler, die Schranken der Diskrimi-
nierung abzubauen“. Das war auch
gleichbedeutend mit dem Aufbre-
chen zweier unterdrückter Dinge:
SexundSchwarzeMusik. Dochder
Kommerz fraß damals schon seine
Kinder. Unsere drei Elvis-Verehrer
stimmen sodann mit einem gewis-
sen John Lennon überein, der er-
klärte: „Der echte Elvis-Rock war
tot, als er zum Militär und nach
Deutschland ging“. Lennon selbst
schuf daraufhin 1976 mit Paul Mc-
Cartney und den Beatles (s)einen
Hymnus an diese Stilrichtung im
Hitalbum „Rock ’n’ Roll Music.
Und Godfather Berry´s „Roll Over
Beethoven“ wurde zu einer ihrer
erfolgreichsten Cover-Versionen.
Heute in Metal-Version bestenfalls
von der Grazer Formation „Bad-
hoven“ übertönt.
Authentisch und ehrlich
Saxofonistin Kristin bestaunte
die Vielzahl der Regler am Opus-
Mischpult. Und vernahm Einzel-
Elvis: der King of Rock ’n’ Roll steht für das
Aufbrechen unterdrückter schwarzer Musik,
Revolution der sexuellen Freiheit, von Haarschnitt
bis Mode und monumentale Bühnen-Pose
EXPERTEN
FORUM
von Erich Cagran
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