Jegg-Life-Magazin November 2015 - page 30

JEGG-Life plus 2015
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Bürgerbeirat zur
Bürgerabwehr
Natürlich! Graz hat auch „Stadt der Bürgerinitiativen“ zu seinen zahlreichen Attributen
erhoben. Nachhaltig sichtbare Begründung: die jeweiligen Vorwahlzeiten. Kaum eine
Partei, die nicht immerzu Transparenz und Bürgerbeteiligung als Programm ausgerufen
hätte. Bloß: die gelebte Realität ist eine andere. Wiewohl bereits im Jahre 1975 die Wie-
ge der parteifreien Bürgerinitiativen in Graz-Andritz stand. Und bis heute von diesem
Bezirk unverändert die meiste Aktivität ausgeht und die Demo-Kultur immer noch lebt.
Das schmeckt der Grazer Politik
irgendwie gar nicht.
Aktivisten werden, wenn sie hartnäckig ge-
nug sind, salopp als Querulanten abqua-
lifiziert. Das Aussitzen ihrer – unerhörten
– Anliegen gehört mittlerweile zur geübten
Grazer Polit-Tradition. Man ist ja eh bürger-
nah. Denn, was vor der Wahl 2008 als ÖVP-
Schmäh (mit Unterstützung von Ex-KPÖ-
Gemeinderat Sepp Schmalhardt) in Form
bezirksweiser Problem-Evaluierung namens
„Zeit für Graz“ (Kosten 600.000 Euro) kon-
struiert war, wurde institutionalisiert zum
heutigen Bürgerbeirat. Für weitere zwei Mal
500.000 Euro „Projekt-Finanzierung“, de-
ren Inhalte offenbar so diffizil sind, dass sie
praktisch niemand kennt. Dieser Bürgerbei-
rat ist laut dessen Sprecher aber keine Platt-
form für Bürgerinitiativen- und Interessen,
sondern bürgerliches „Bindeglied“ zwischen
Menschen & Leben
Erich Cagran
Verwaltung und Politik. Wen wundert es da
noch, dass der Vorsitzende dieses BÜRGER-
Beirates mit ÖVP-Finanz-Stadtrat Gerhard
Rüsch ein Berufs-
politiker ist. Ganz
schön viel Bürger-
tum drinnen in die-
sem Beirat…
So scheint es fast lo-
gisch, dass die aktu-
elle Forderung der
vereinten
Grazer
Bürgerinitiativen
nach einer Bür-
gerbefragung zum
neuen Flächenwid-
mungsplan (Bür-
germeister
Nagl
will damit Platz für
weitere 100.000 neue Grazer schaffen) von
der Stadtpolitik, sagen wir mal ignoriert wird.
Man hat ja nach außen hin die Ja-Sager vom
Bürgerbeirat als argumentative Abwehr von
Bürgerinitiativen.
Für Bürgerbeteiligung scheint im Rathaus
das einstige Kulturhauptstadtmotto zu gel-
ten: „Graz darf alles“. Alles, aber nur keine
Bürger beteiligen…
Die Bürgerinitiative Andritz hat auch noch echte Protestkultur
Fotos: Fotolia (2)
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