Jegg-Life-Magazin März 2016 - page 26

Jegg-Life plus 2016
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Eines gleich vorweg:
In Andritz hatte per se kaum jemand
etwas gegen Flüchtlinge, bis heute nicht.
Es wurde aber mit Jahresbeginn eine neue
Dimension in der Asylpolitik des Landes in
Andritz erreicht. Nicht vergleichbar mit den
vielen privaten Unterkünften in Graz-Um-
gebung, nicht mit der Versorgung im Stift
Rein. In Andritz wurde ein Massenquartier
gemäß Mietvertrag des Ministeriums für
200 Asylwerber installiert. Inmitten einer
Wohnsiedlung, ohne die Siedlungsbewohner
(vor-)informiert zu haben. Und entgegen
den lautstarken Ankündigungen des Grazer
Bürgermeisters „in Graz kommen mir keine
Massenquartiere und keine für alleinstehen-
de junge Männer – wir nehmen nur Schutz
suchende Familien auf “. Doch: das Massen-
quartier kam, der Zorn bei den Bürgern ist
dem entsprechend. Die Andritzer fühl(t)en
sich überrumpelt.
Zankapfel: Feigheit der Politiker
Und sie kamen. Ab 4. Jänner wurde das ehe-
malige Seniorenheim Marianne mit Flücht-
Asylheim Andritz:
Zusagen ohne Taten
Politik
Erich Cagran
Beim Asyl-Massenquartier scheiden sich die Geister.
Politiker-Absenz spaltet die Bevölkerung.
lingen belegt. In erster Phase deren hundert.
Mehr als die Hälfte unbegleitete Jugendliche
und junge Männer, zahlreiche von ihnen An-
alphabeten. Das Gegenteil dessen also, das
der Bürgermeister die Wochen davor strikt in
Abrede gestellt hatte. Als Beamten des Minis-
teriums dies in einer emotional bis explosiv
geführten Ho-Ruck-Info-Veranstaltung den
Bürgern mitteilten, fehlten sie alle – die Po-
litiker, die vorher Großes versprochen hatten.
95 Euro pro Tag und Kopf – ein Affront
An dem genannten Info-Abend wurde auch
bekannt, dass die private Firma ORS der Be-
treiber ist. Die Wogen gingen hoch.
Diese
Firma des wenig ruhmreich betriebenen
Lagers Traiskirchen hat die Konzentration
junger Männer zum Geschäftsmodell. Da-
für kassiert ORS 95 Euro pro Tag und Kopf.
Dieses „Kopfgeld“ umgerechnet: 2.850
Euro im Monat. In Andritz fragen sich
viele: Wie viele unserer Familien haben
schon 2.850 Euro im Monat netto …?
Das
sind Ungereimtheiten, die im Bezirk auch
Unfrieden stiften. Und die Bürgerinitiative
Andritz zur Tat schreiten ließ. Sie sammelte
innerhalb einer Woche 2.067 Unterschriften
mit der Forderung: Die Stadt solle das Ob-
jekt vom Privatbesitzer kaufen und daraus
Gemeindewohnungen machen. So, wie es
Bürgermeister Nagl zugesagt hat für den Fall,
dass das Ministerium aus einer Grazer Kaser-
ne ein Massen-Asyllager machen wolle.
2.067 Unterschriften als Spielball
Die Bürger legten in der Jänner-Gemeinde-
ratssitzung diese, Tage davor angekündigten
Unterschriften drei Stadträten vor. Stadtrat
Rüsch als Liegenschafts- und Finanzreferent
erklärte in der Sitzung eiligst, bereits mit dem
Besitzer gesprochen zu haben. Dieser habe
die grundsätzliche Bereitschaft zum Verkauf
des Objektes an die Stadt erklärt. Jetzt wol-
le man sofort in konkrete Verhandlungen
treten. Ende Februar die Ernüchterung. Die
Rüsch-Administration teilte mit, man habe
ein Angebot gelegt, aber noch keine Antwort.
Aus dem Büro von Wohnungsstadträtin Kahr
kam die gegenteilige die Aussage: das Objekt
sei zu teuer, ein Ankauf käme nicht in Frage.
Im Rüsch-Büro hieß es unterdessen, man sei
zu weiteren Verhandlungen bereit… Politik
Marke Graz eben.
Maximilian Koren
zuständiger
Regionalleiter des
Innenministeriums
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