Jegg-Life-Magazin März 2016 - page 21

Jegg-Life plus 2016
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Kirche müsste also von
unten heraufkommen?
Bischof Krautwaschl:
Taufe und Firmung
sind es. Das heißt für mich, angesichts der
modernen Geschichte, die wir so wahrneh-
men, Mobilität. Schauen sie sich die Bindun-
gen überhaupt in größeren Gruppierungen
an. Das heißt für mich, dass die Lebenssi-
tuationen der Menschen heute viel offener
sind, als in einer geschlossenen Gesellschaft.
Das heißt dann, das Internet ist ja auch so ein
Beispiel, dass ich mehr vernetzt denken muss
und dass ich nicht mehr denke: „Mei Pfarr`
is my Castle“.
Also raus aus dem „Kastl“-Denken?
Bischof Krautwaschl:
Eine Möglichkeit da-
mit umzugehen ist, dass man größere Räume
sieht, wo sich das Leben definiert. Graz ist
für mich ein Beispiel, wo man weggegangen
ist von Dekanaten. Wir sind eine Stadtkirche,
wo wir arbeiten müssen, sind eher thematisch
bezogen und nicht territorial.
Wie ist das kirchlich zu praktizieren?
Bischof Krautwaschl:
Eine Sache, die wir an-
gehen müssen, eine spannende Geschichte,
die ist quer zu unserem bisherigen Denken.
Du gehörst zu mir, du zur anderen Pfarre.
Das ist auch ein Thema, dass wir Kirche am
Kirchengehen festmachen. Als ob wir die ein-
zigen Guten wären.
Gemeint ist die Flüchtlingssituation –
und die Angst vieler Gläubiger
vor dem Islam?
Bischof Krautwaschl:
Zusammenleben der
Religionen – es hat hunderte Jahre gegeben,
wo es am Balkan funktioniert hat, ebenso im
Libanon. Wir sind selber auch schuld, dass
die Leute jetzt da sind. Wir verkaufen Waffen
hinunter und wundern uns dann, dass ge-
schossen wird. Das ist zynisch.
Wer sind „wir“?
Bischof Krautwaschl:
Wir leben auf Kosten
von anderen. Der Papst hat das in seiner En-
zyklika gesagt. Und nehmen wir das bitte ein-
mal zur Kenntnis. Wir dürfen uns dann nicht
wundern, dass die, auf deren Kosten wir le-
ben, auf einmal anklopfen. Wir haben täglich
im Einkaufssackerl die ganze Welt drinnen..
Wir leben die Einheit der Welt und jetzt tun
wir so, als ob es nur mehr uns gäbe.
Fehlt es uns an Selbstvertrauen?
Bischof Krautwaschl:
Ich weiß, dass wir
schwer damit umgehen können – aber: Wir
werden uns hoffentlich wieder einmal selber
besser kennenlernen. Stichwort Karl Schwar-
zenberg, der sagt, er fürchtet sich nicht vor
den gläubigen Moslems, eher vor den leeren
Kirchenbänken.
Unterschreiben Sie das?
Bischof Krautwaschl:
Ja, sicher! Ist das Ego
jetzt das Maß aller Dinge…? Und der Bürger-
meister oder der Papst sollen gefälligst mich
schützen. Und wehe, der sagt was Anderes,
als mir passt. Ich und meine Welt, die muss
geschützt werden, alle haben mir zu dienen.
Und wehe, der Bürgermeister entscheidet was
Anderes.
Sie sind für ein Miteinander
und nicht für ein Nebeneinander?
Bischof Krautwaschl:
Nebeneinander erlebt
man in Israel. Miteinander ist schwer zu ma-
chen, aber wenn ich dem anderen in die Au-
gen schaue, tu ich mir leichter.
Alle Religionen
haben nebeneinander Platz?
Bischof Krautwaschl:
Es gibt unterschied-
lichste Religionen. Wir sind die Christen, die
sagen: das ist es. Und so sagen es die anderen
auch. Ich kann mir nichts Anderes vorstel-
len, kein anderes Lebenskonzept und glaube
auch, dass das stimmig ist bis ins Letzte. Und
darum stehe ich dazu.
Graz hat einen sich christlich bekennenden
Bürgermeister, der die Bettler bekämpft,
wie passt das?
Bischof Krautwaschl:
Er hat eine andere Ver-
antwortung. Ich kann ihm nicht vorschrei-
ben, was er als Bürgermeister macht. Worum
geht’s ihm? Was will eine Norm schützen?
Was ist der Beweggrund, dass ich zu dieser
Norm komme? Es geht nicht um die Norm,
sondern den Wert dahinter. Es geht um Ar-
mutsbekämpfung. Armut – was tun wir da-
für, dass Leute erst gar nicht hineinkommen?
Ist das eine christlich vertretbare
Sicht eines Bürgermeisters?
Bischof Krautwaschl:
Das ist seine Verant-
wortung. Ich bin dankbar dafür, dass mir
immer wieder in Erinnerung gerufen wird: es
geht mir gut. Ich kann auch nicht jedem Bett-
ler helfen, ich weiß. Was ich mache – ich gebe
der Caritas jährlich einen nicht unbedeuten-
den Beitrag.
Braucht eine Kirche mit
Millionen-Umsatz wirklich
Subventionen von der
öffentlichen Hand?
Bischof Krautwaschl:
Ich habe eine aktuelle
Studie vom JoanneumResearch, dass es ziem-
lich pari/pari steht, was wir vom Staat bekom-
men und was wir dem Staat erwirtschaften.
Ich würde es umgekehrt sagen, wenn Katho-
liken ihre Kinder in kirchliche Privatschulen
schicken, zahlen sie viermal: Steuern, die alle
zahlen, über den Kirchenbeitrag, am Sonntag
ins Körberl und ein Schulgeld auch noch. Tun
wir schön runterholen die Geschichten, wo
sie hingehören.
Stift Rein, auch die Grazer Kirchen,
bekommen laufend städtische
Subventionen, ist das in Ordnung?
Bischof Krautwaschl:
Warum soll das nicht
in Ordnung sein? Dafür gibt´s Gesetze, die
befolgt werden. Jede Pfarre ist eine eigene
Rechtskörperschaft, auch jeder Orden. Die
Diözese bezahlt die Priester für die Pfarre.
Ansonsten ist ein Orden autark.
Auch in der Kirchenerhaltung?
Bischof Krautwaschl:
Sicher. Weil sie auch
Pfarrkirche ist, gibt’s für die Pfarrkirche Un-
terstützung. Für´s Stift Rein etwa haben wir
den Direktor der Bauabteilung zur Konzepti-
on der Innenrenovierung abgestellt. Das war
ein Beitrag.
Sie haben jüngst das
Erstkommunion-Kinderbuch
„Weil es dich gibt“ geschrieben.
Warum?
Bischof Krautwaschl:
Ja, das habe ich aber
mit anderen zusammen gemacht. Vergessen
wir nicht: die Kinder sind unsere Zukunft.
Danke für das vor-österliche Gespräch.
Her zer f r i s chend ge s t iku lierend , l achend und inha l t lich moder n : B i s chof Wilhe lm Kr au twa s chl
Fotos: Cagran
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