Jegg-Life plus September 2015 - page 16

JEGG-Life plus 2015
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Wozu Bürger-
beteiligung?
Herr Bürgermeister, grundsätzlich wählen
die Bürgermeister politische Mandatare,
um das Gemeindeleben zu gestalten.
Wozu braucht es da Bürgerbeteiligung?
Harald Mulle:
Es wäre ewig schade, das
Ideenpontenzial unserer Bürgerinnen und
Bürger brach liegen zu lassen. Außerdem
gibt es viele Menschen, die sich gerne an der
Gestaltung der Gemeinde beteiligen, aber
gleichzeitig nicht daran interessiert sind, dies
im Rahmen einer Partei zu tun. Damit ist die
Bürgerbeteiligung der beste Weg, damit sich
diese Personen einbringen können.
Laut FPÖ kostet die Bürgerbeteiligung
den Steuerzahler rund 100.000,- Euro.
Ist das richtig?
Harald Mulle:
Die Organisation und Beglei-
tung der Bürgerbeteiligung durch die Land-
entwicklung Steiermark bis ins Jahr 2016
kostet in etwa diesen Betrag. Aus dem Ge-
meindebudget kommen davon etwa 20.000,-
Euro, der große Rest wird durch Förderungen
unter anderem im Rahmen von EU-Projek-
ten wie der Agenda 21 finanziert.
Der Gratwein-Straßengler Vizebgm. Dr. Wolfgang Lagger meint in einer Aussendung
der FPÖ, dass das Modell der Bürgerbeteiligung zu kostspielig wäre. Wir baten Bgm.
Harald Mulle um seine Einschätzung.
Wozu braucht es die Begleitung
durch die Landentwicklung Steiermark?
Harald Mulle:
Am Agenda 21-Prozess zur
Entwicklung ländlicher Regionen beteiligen
sich alleine in der Steiermark über 200 Ge-
meinden. Ich weiß also nicht, warum wir das
nicht auch tun sollten. Die Landentwicklung
Steiermark öffnet uns den Zugang zu Förder-
mitteln und bringt ihre reichhaltige Erfah-
rung zur Abwicklung von Bürgerbeteiligung
ein.
Sind Sie mit dem Ablauf der Bürger-
beteiligung zufrieden? Es gibt doch
auch viele Kritiker?
Harald Mulle:
Erstens beteiligt sich doch
eine recht große Anzahl an Bürgerinnen
und Bürgern. Die einen kürzer, die anderen
länger. Das ist schon ganz grundsätzlich ein
Erfolg. Natürlich gibt es einiges nachzujustie-
ren. Aber man muss doch zuerst einmal etwas
tun, um es dann besser machen zu können.
Foto: Braunendal
Es ist nichts Neues, dass die FPÖ lieber
andere an den Pranger stellt als selbst
umsetzbare Lösungen vorzustellen.
Denn darüber zu schimpfen, was alles
schlecht und falsch ist, ist natürlich viel
einfacher als einen konstruktiven Bei-
trag zum Gemeinwohl zu leisten.
Besonders gut kann das aktuell Vbgm.
Dr. Lagger in Gratwein-Straßengel:
Da kann Herr Strache in Wien zwar voll-
mundig Bürgerbeteiligung einfordern, wenn
die hiesige Gemeinde das aber macht und
für einen geordneten Prozess Geld in die
Hand nimmt, dann ist das plötzlich hinaus-
geschmissenes Geld. Wenn die Gemeinde
die Gemeindezeitung professionell von einer
lokalen Agentur gestalten lässt – übrigens im
Vergleich zum Branchenüblichen zu mehr
als fairen Konditionen – dann meint Dr.
Lagger in seiner Postille, dass die Zeitung
noch billiger wäre, wenn das eine Gemein-
demitarbeiterin erledigt (die seiner Meinung
nach wohl unterbeschäftigt sein muss). Die-
se Idee lässt sich fortspinnen: Der Gemein-
deaußendienst könnte ja auch die Straßen
selbst asphaltieren, das kommt sicher eben-
falls billiger. Aber vielleicht schließt man da
in der FPÖ nur von sich auf andere, denn die
Geldflüsse zwischen der Bundes- und Kärnt-
ner FP und ihren Agenturen beschäftigen ja
regelmäßig Staatsanwälte und Gerichte.
Auch in Gratkorn
erwägt man, die Gemeindezeitung nicht
mehr von einer regionalen Druckerei pro-
duzieren zu lassen, die 40 Arbeitsplätze in
der Region sichert, in den letzten zehn Jah-
ren rund 400.000 Euro an Kommunalsteuer
in die Kassen der Gemeinde gespült hat und
in den letzten 20 Jahren der SAPPI Papier-
Umsätze in Millionenhöhe gebracht hat,
sondern außerhalb der Gemeinde.
Aber wer billig kauft, hat noch immer
schlecht gekauft. Denn egal ob Werbe-
agentur, Druckerei oder welches Gewerbe
auch immer: Wenn die Gemeinden predi-
gen, dass die Konsumenten die regionale
Wirtschaft stärken müssen,
das aber selbst nicht leben,
dann wird das Folgen ha-
ben. Erstens die Schlech-
terstellung der regionalen
Wirtschaft und zweitens der
Entfall unzähliger Leistun-
gen, die diese Unternehmen
kostenlos erbringen – nicht
nur für die Gemeinden
selbst, sondern auch für un-
zählige regionale Initiativen
und Vereine. Die dürfen
sich dann alle bei ihren Ge-
meinden bedanken.
Raunzen
und Nörgeln als
politisches Konzept
Menschen & Leben
Kommentar
Andreas Braunendal
Karikatur: Siegfried Kerstein
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